Gesellschaft, Unternehmensgeschichte

Unternehmen im Nationalsozialismus

Verantwortung für die Zukunft der Demokratie

Prof. Dr. Manfred Pohl

Unternehmenshistoriker

Dachau - Häftlinge bei Zwangsarbeit

Bereits in meiner Dissertation 1972 „Die Geschichte der Saarländischen Kreditbank Aktiengesellschaft“ befand sich ein Kapitel „Die Arisierung jüdischer Betriebe und die Behandlung jüdischer Kundschaft durch die Filiale Saarbrücken“. Niemand regte sich darüber auf, aber auch keine Bank und kein Unternehmen sah sich aufgefordert, seine eigene Beteiligung an den Greueltaten des Dritten Reichs aufzuarbeiten. Aber die Aufarbeitung der Geschichte der Unternehmen im Dritten Reich wurde zu einem Zentralthema meiner Forschungsarbeit und meiner Bemühungen, die Unternehmen zu überzeugen, dass ihnen eine wichtige Verantwortung zukäme und dass sie gleichzeitig einen bedeutenden Beitrag zur Aufarbeitung der Gesamtgeschichte im Nationalsozialismus leisten würden. Allerdings dauerte bis Mitte er 80er Jahre, bis die Verstrickungen der Unternehmen und Banken ein zentrales Thema wurde. Einen wesentlichen Anteil hatte hierbei das wissenschaftliche Programm der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte, die ich 1973 angeregt und mit Hilfe der Deutschen Bank deren Aufsichtsratsvorsitzendem, Hermann Josef Abs und deren Vorstand am 10. Juni 1976 gegründet hatte. Den Durchbruch, dass die Aufarbeitung der Geschichte der Unternehmen im Nationalsozialismus eine zentrale Verantwortung der Unternehmen betraf, gelang allerdings erst mit der Aufarbeitung der Geschichte der Deutschen Bank zu ihrem 125jährigen Jubiläum mit einem umfangreichen Kapitel zur Tätigkeit der Deutschen Bank in der Zeit des Nationalsozialismus, Viele Unternehmen folgten diesem Beispiel (Deutsche Bahn, Dresdner Bank, Südzucker, Hochtief, M. DuMont Schauberg, Daimler usw.   …) Aber dennoch muss klar festgestellt werden, dass höchstens zwanzig Prozent der Unternehmen, die in dieser Zeit bereits bestanden, ihre Geschichte in dieser Zeit aufgearbeitet haben. Das ist ein Versäumnis, das unbedingt beseitigt werden muss.

Jetzt aber ist es an der Zeit, die Bedeutung der Aufarbeitung der Geschichte der Unternehmen im Nationalsozialismus neu zu bewerten und gleichzeitig jene Unternehmen, die ihre Geschichte im Nationalsozialismus noch nicht aufgearbeitet haben, auf ihre Verantwortung hinzuweisen. In der derzeitigen politischen Konstellation mit einem eklatanten Rechtsruck nicht nur in Deutschland, sondern europa- und weltweit, ist eine lückenlose wissenschaftliche Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus auch durch die Unternehmen unerlässlich. Wir sind der Meinung, dass nur eine lückenlose Aufarbeitung dieser Zeit und eine wissenschaftliche Analyse zahlreiche Beispiele und Anregungen liefert, wie den Anfängen einer verheerenden Entwicklung, wie sie am Ende der der Weimarer Republik einsetzte, und erste ähnliche Entwicklungslinien derzeit liefert, in der heutigen Zeit und in der Zukunft entgegengewirkt werden kann. Die Kenntnis der eigenen Geschichte, die Analyse und das Herausarbeiten jener Kriterien, die uns heute und in der Zukunft als Maßstab und Basis für Entscheidungen dienen können, müssen ein zentraler Part der Strategieüberlegungen eines Unternehmens sein.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, haben wir den Begriff „ZUKUNFTSCHRONIK“ geprägt, um Geschichte und Zukunft miteinander zu verbinden. Die Marke „ZUKUNFTSCHRONIK“ ist rechtlich geschützt.

Wir fordern alle Unternehmen auf, dieser zentralen Verantwortung, der Aufarbeitung, Analyse und Umsetzung der Erkenntnisse aus ihrer Geschichte gerecht zu werden. Sie leisten so einen wesentlichen und unschätzbaren Beitrag zur Erhaltung unserer Demokratie.

Frankfurt am Main, 2. August 2024